Noch Anfang des Jahres hatten wir gedacht, dass wir an dieser Stelle auf einen CSD zurückblicken, der Zeichen gesetzt hätte. Die Anmeldungen für die Demonstration hatten bereits im Frühjahr eine nie dagewesene gesellschaftliche Breite erreicht. Unsere eigene Kampagne sollte Maßstäbe setzen und die Menschen an unerwarteten Orten und auf unerwartete Art und Weise mit uns und unseren Anliegen konfrontieren.
Dann kam Corona.
Doch nach anfänglichem Schock, nach einer Phase der Unwägbarkeiten und Frustration, blicken wir heute zurück auf einen CSD, der in der Tat Zeichen gesetzt hat!
Dieser CSD Nordwest 2020 war anders – ohne Frage. Doch er war nichtsdestotrotz beeindruckend. In einer Zeit der Unsicherheit, in der erst gar nichts und dann plötzlich wieder alles möglich schien, entwickelte sich eine Kraft und Kreativität, welche die ganze LSBTIQ-Community und viele weitere Gruppen der Bürgergesellschaft unserer Stadt erreichte.
Dieser CSD hat in unseren Augen vor allem eines gezeigt: Wir haben in der Stadt Oldenburg bereits sehr viel erreicht!
Ein CSD gehört niemandem alleine. Das wurde dieses Jahr sehr deutlich. Wir als CSD Nordwest e.V. verstehen uns schon länger als Interessenvertretung für LSBTIQ+ und als Organisator des CSD Nordwest. Als eine Gruppe von engagierten Menschen, die sich um die Plattform kümmern, den Rahmen organisieren und die politische Botschaft im Blick behalten. Die Inhalte, das Wesentliche, die Anliegen von uns LSBTIQ+ – das alles kommt von denjenigen, die mitmachen, sich einbringen, die Plattform nutzen.
Der CSD 2020 war in dieser Hinsicht unfassbar kreativ. Er lebte von unzähligen engagierten Menschen. Einzeln, in Vereinen, in Gruppen, in Firmen und Parteien. Überall wurden Ideen geboren, Aktionen ins Leben gerufen und tolle Projekte verwirklicht.
Die Stadt war ein Regenbogen. Fast den gesamten Juni hindurch, den ganzen Pride Month, ist die Fußgängerzone in Regenbogenfarben getaucht. Ergänzt durch Denkanstöße über der Straße. Aus ungezählten Fenstern quer durch die Stadt leuchteten dem Spaziergehenden unsere Botschaften entgegen. Nahm man dagegen den Bus, dann war die Wahrscheinlichkeit hoch, erstmals auch dort ein CSD – Plakat zu sehen. Und wenn der Bus dann noch am Lappan vorbeifährt, dann sieht man dort einen Fußgängerüberweg in Regenbogenfarben.
Das Autokino des CineK war nicht nur in dieser Hinsicht eine Premiere. Es gab mit „Pride“ den passenden Film und vorweg unseren ersten selbst produzierten Kinospot des CSD Nordwest.
Fensterbilder wurden gemalt, Flaggen aufgezogen, Fahnen signiert und dem Oberbürgermeister übergeben, Podcasts mit der NWZ produziert, eigene Videos gedreht und vieles mehr. Von allen Seiten gab es Anfragen, wie und wo und wann der CSD unterstützt werden kann. Für jede einzelne Anfrage, für jedes einzelne Angebot sagen wir DANKE! (Die Bilder und Videos dazu findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Instagram, Facebook, Youtube)
Denn auch wir hatten als Team mit der Situation zu kämpfen. Weniger technisch, denn die Orga-Treffen wurden blitzschnell auf Video umgestellt. Doch vor allem emotional sind auch wir durch die ganze Veränderungskurve dieser Krise gegangen.
Was dann jedoch am 20.06. alles auf die Beine gestellt wurde, das ist einfach nur beeindruckend.
Je mehr möglich wurde, desto mehr wurde möglich gemacht.
Die Mahnwache auf dem Schloßplatz machte uns nicht nur im Herzen der Stadt wie gewohnt sichtbar. Kurzfristig wurden viele verschiedene Redner*innen gefunden, die aus den unterschiedlichen Perspektiven auf die Situation von LSBTIQ+ hinwiesen und anmahnten, dass noch lange nicht alles erreicht sei. Es war leiser als sonst, es war leerer als sonst – doch es war kraftvoll.
Die Fahrraddemo, maßgeblich durch Na Und e.V. und Bündnis90 / Die Grüne zusammen mit weiteren Oldenburger Organisationen organisiert, brachte fast 1000 Menschen auf die Straße und in einem langen Korso rund um die Innenstadt. Selbige war durch die Regenbogen-Rally der Grünen Jugend zu einem informativen Schnitzellauf quer durch CSD-Geschichte und LSBTIQ+Themen geworden. Abgerundet wurde der Tag am Abend durch eine Online-Lesung des AStA der Universität.
Auch digital und virtuell wurde der CSD lebendig. Wann haben wir jemals gesehen, dass so viele Sparten des VfB Flagge zeigen und bekennen? Ein Dankeschön an den VfB für Alle.
Unserem Aufruf nach Redebeiträgen zum pride@home folgten soviel Gruppierungen und Menschen, dass wir noch tagelang „auf Sendung“ waren.
Dieser CSD Nordwest 2020 hat somit vor allem eines gezeigt: Oldenburg hat eine lebendige, kreative Community, die in der Krise Ideen entwickelt, sich gegenseitig hilft und den CSD trägt. Oldenburg hat jedoch auch eine Gesellschaft, die bereits in weiten Teilen unsere Anliegen aufgenommen hat, sie unterstützt und stärkt, wo dies notwendig ist. Die sich nicht weg duckt, sondern offen und laut Flagge zeigt.
Er hat jedoch auch gezeigt, dass noch viel zu tun ist. Das haben über ein Dutzend Redner*innen in Präsenz und digital dargelegt. Das zeigen die vielen Initiativen, die ihre jeweiligen Ziele und Gründe der Unterstützung transparent gemacht haben.
Wir arbeiten weiterhin daran, dass dies Wirklichkeit wird und wir einen CSD eines fernen Tages nicht mehr benötigen. Die Planungen für 2021 haben bereits begonnen. Denn eigentlich ist ja ein CSD nicht einmal im Jahr. CSD – das ist eine Haltung, eine Einstellung. Das ist, wenn ich glaube, dass alle Menschen wertvoll sind, dass jede und jeder zählt und das Leben bereichert.
Diesmal halt anders – doch trotzdem sichtbar.
Euer
CSD Nordwest e.V.
PS: Du willst mitmachen? Du willst deinen CSD Nordwest unterstützen? Ob in vorderster Linie, hinter den Kulissen oder bei einzelnen Projekten. Du bist willkommen! Melde dich unter info@csd-nordwest.de, über Facebook oder Instagram.
Weil wir so oft gefragt wurden: Ja, auch wenn du heterosexuell bist.